EINLEITUNG

Wie kann die Bedeutsamkeit des „Nicht-Vergessens“ des Holocaust einer jüngeren Generation begreifbar gemacht werden? Wie kann Erinnerung an etwas stattfinden, das lediglich indirekt durch seine mediale Aufbereitung oder als überliefertes kulturelles Trauma erfahren wurde?

Das Ziel von Tracing the Past ist es, interaktive, durch Crowdsourcing getragene Online-Tools zur Verfügung zu stellen, um die als weit entfernt begriffene Vergangenheit deutlicher in das Bewusstsein heutiger Generationen zurückzuholen, sowie mit dem Projekt Mapping the Lives eine zentrale Datenbank zur Holocaust-Forschung zu etablieren. Mapping the Lives ermöglicht es, die Volkszählung von 1939 erstmals online nach den Adressen von ungefähr zwei Dritteln der fast 170 000 Opfer des Holocaust aus Deutschland zu durchsuchen.

Während die kollektive Erinnerung an den Holocaust medial und durch die Erschließung von Archiv-Material aufrechterhalten wird, schwinden mit dem Verstreichen der Zeit die Erinnerungen aus erster Hand: Nur noch wenige können von den Gräueltaten des Dritten Reichs und seiner Kollaborateure Zeugnis geben. Zwar verfügen die meisten jungen Menschen über ein Grundverständnis historischer Ereignisse, relativ wenige von ihnen besitzen jedoch einen persönlichen Zugang dazu. Oft findet keine Reflektion über eine mögliche Rolle von Familienangehörigen zur Zeit des Nationalsozialismus statt, auch ist das Wissen über die ehemaligen Bewohner ihrer unmittelbaren Nachbarschaft, manchmal sogar des eigenen Zuhauses, oder das Schicksal dieser Nachbarn, die eines Tages „nicht mehr da“ waren, bestenfalls vage. Es ist äußerst schwierig, durch die Masse an verfügbaren Informationen zu navigieren, und der Großteil davon wird selbst für Interessierte vor allem eine Empfindung zurücklassen: „Lange her“ und deshalb „weit weg“, zeitlich und psychologisch.

Wir sind in der dankbaren Position, diese bedeutsamen historischen Informationen und Daten nutzbar machen zu können und damit das Gedächtnis an individuelle, durch den Holocaust vernichtete Leben aufrechtzuerhalten, sowie eine umfassende Grundlage für die Holocaust-Forschung zu schaffen und aktiv an einer multikulturell ausgerichteten Gesellschaft mitzuwirken.